DOMES by Ahmet Ertug
Produktion einer 5-minütigen Dokumentation über Ahmet Ertug, der 2011 mit seinem Team den Berliner Reichstag für sein Buchprojekt DOMES fotografiert hat. Veröffentlicht von der Pariser Galerie POLKA auf Vimeo. Mein Essay über die Architekturfotografie von Ahmet Ertug:
Ahmet Ertugs Fotografien zur Kultur Europas
Nur wenige Fotografen wissen wirklich genug über die von ihnen behandelten Themen, um starke Aussagen zu treffen. Eines ist vielen Ansätzen, die bleibenden Eindruck hinterlassen, gemeinsam: Die Verbindung mit der eigenen Herkunft oder die Suche danach. Darum zu wissen ist eine Sache, es umzusetzen etwas entschieden anderes. Kaum einer schafft es, überzeugende visuelle Geschichten zu erzählen, die dazu bestimmt sind, Teil der Geschichte zu werden. Einer davon ist der in Istanbul beheimatete Fotograf und Verleger Ahmet Ertug, der im Kulturerbe Europas und Asiens tief verwurzelt ist. Er hat bis heute fünfundzwanzig umfang- reiche und prachtvoll ausgestattete Bildbände in streng limitierten Editionen herausgegeben. Diese Veröffentlichungen werden von mobilen und fest installierten Ausstellungen überformatiger Vergrößerungen erweitert.
Die thematische Spannweite umfasst die Entstehung der europäischen und eurasischen Kulturen bis hin zu historischen Bibliotheken und Opernhäusern. Architektur ist das Grundthema, es werden aber auch Verbindungen zu prägenden Landschaften sowie ausgesuchten Kunstgegenständen und Skulpturen hergestellt. Die regulären Bildbände im Folio-Format und die oft größeren Vorzugsausgaben sind in feinste Stoffe, Seiden oder Leder gebunden, sie selbst Kunstwerke, die Ahmet Ertugs vollformatige Fotografien enthalten, thematisch vervollständigt von ausgewählten Dokumenten und Texten internationaler Experten. Diese Bände geleiten den Geist ihrer Betrachter und Leser durch historische Themen, wobei Bezüge zur zeitgenössischen Kultur nicht fehlen. So ist Ahmet Ertugs fotografisches Werk allen durch seine aufwendigen Ausstellungen zugänglich und vielen durch das Angebot wertvoller Bildbände durch Ertug & Kocabiyik, einem kleinen, unabhängigen Verlag in der Schwemme oft billiger Fotobücher.
Ein Frage der Kontrolle
Ein anderes gutes Beispiel eines Künstlers, an den man sich lange erinnern wird, ist Ansel Adams. Er war in den Landschaften des amerikanischen Westens stark verwurzelt, fotografierte sie wie kein anderer und entwickelte eine äußerst genaue Technik, um der Schönheit, die er in der Natur wahrnahm, mit seinen Aufnahmen gerecht zu werden. Julius Shulman war ein gefeierter Fotograf moderner Architektur. Die Themen seiner Bilder waren die Bauten kalifornischer Architekten wie Neutra, Wright, Koenig oder Eames. Er stellte sie voller Stolz der Weltöffentlichkeit vor und sah es als seine Aufgabe, das Genie dieser Architekten zu vermitteln.
Eine unverkennbare Eigenart des Werkes und der Persönlichkeit dieser beiden herausragenden Fotografen ist die vollständige Hingabe an die Aura ihrer Themen – frisch und unbekümmert wie zu jenen Tagen, an denen Kaliforniens überschwängliche architektonische Formen entstanden oder tiefgründig und reichhaltig wie in den unverfälschten Landschaften des amerikanischen Westens. Was beiden fehlte, war der Wille, die Auflagen, Reproduktionen und die Verteilung ihres Werkes zu kontrollieren. Shulman suchte bewusst die größtmögliche Popularität, das Werk von Ansel Adams teilt das Schicksal vieler anderer Künstler seines Rangs. Es ist überall zu finden – Kalender und billige Neuauflagen schreien es förmlich heraus, seine Signatur dient dazu, Fotoworkshops zu bewerben. Wer erinnert sich heute an die Jahrhunderte der Landschaftsmalerei, die die Vorraussetzung von Ansel Adams Meisterschaft sind? Die Aura der ursprünglichen fotografischen Werke, die in dieser langen Tradition stehen, ist in den letzten Jahrzehnten teils vergangen, während Adams Bilder unkontrolliert verfügbar wurden.
Aura und Fotografie
“Was im Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit des Kunstwerks verkümmert, das ist seine Aura. […] Die Reproduktionstechnik, so ließe sich allgemein formulieren, löst das Reproduzierte aus dem Bereich der Tradition ab.” Diese Worte stammen von Walter Benjamin, der den Begriff der Aura in seinen Schriften im Zusammenhang mit Kunst und Medien prägte. Die Aura, einem originalen Kunstwerk beigegeben oder von ihm ausstrahlend, geht durch seine massenhafte Verbreitung verloren, sagt Benjamin. Das perfekte Beispiel einer unbeschädigten Aura ist die spirituelle Wirkung einer byzantinischen Ikone auf den Betrachter, der sie unmittelbar wahrnimmt. Kann ein Künstler, der heute die Fotografie und den Druck – mit ihren unbegrenzten Möglichkeiten der Vervielfältigung – verwendet, Teile der Aura des Abgebildeten aufnehmen und ein breites Publikum erreichen, ohne sie zu zerstören oder zu verwässern?
Die Antwort liegt im Osten. Ahmet Ertug lebt und arbeitet in Istanbul, wo Europa und Asien zusammentreffen. Er ist ausgebildeter Architekt und hat an mehreren prominenten Bauprojekten mitgearbeitet. Hieraus entstammt der Wille, jede Feinheit seiner Buchveröffentlichungen zu kontrollieren. Gleiches gilt für die umfassenden Ausstellungen. Seine Originalbilder werden nur auf diese beiden Arten gezeigt. Die Aufnahmen entstehen mit hochwertigen Großformat-Kameras, die jedes Detail der historischer Bauten und Gegenstände festhalten. Zusätzlich zu diesem strikten Regiment über seine Kunst wählt Ahmet Ertug Themen, die von Dauer sind: es ist sehr unwahrscheinlich, dass eines davon in den nächsten Jahrhunderten vergehen wird. Sein Werk ist ein visuelles Vermächtnis, das deren Bedeutung unterstreicht.
Ein Platz in der Geschichte
Ahmet Ertugs Werke sollen nicht nur in den Bücherschränken der Sammler die Zeiten überstehen, sondern auch in den kunsthistorischen Bibliotheken. Grund hierfür ist die akademische Sorgfalt, mit der ein ausgewähltes Kapitel der Geschichte, herausragende Gebäude oder das Gesamtwerk ihrer Schöpfer behandelt wird.
Ausgangspunkt von Ertugs Serie dieser kulturhistorischen Entdeckungstouren ist der Band über die Hagia Sophia. Die Hagia Sophia – griechisch für ” heiliges Wissen” – war von zentraler Bedeutung für die Geschichte des Mittelalters. Ihre Umwandlung von byzantinischer Kathedrale zu osmanischer Moschee 1453 markierte das Ende des römischen Reiches. Der Untertitel von Ertugs Buch, Eine Vision für Weltreiche (A Vision for Empires), weist auf diese Bedeutung hin. Im nachfol- genden Band, Sinan, ein Genie der Architektur (Sinan, An Architectural Genius), wirft Ertug seinen genauen Blick auf Mimar Sinan (1490-1588) den Erbauer der eleganten Selimiye Moschee in Edirne und der Moscheen, die die Skyline Istanbuls bestimmen. Diese Bauten waren Ausdruck der zu Sinans Zeit großen Macht der Osmanen. Hier wird Ahmet Ertugs Erfahrung als Architekt für seine Fotografie wichtig. Er identifiziert sich stark mit dem Hauptbaumeister der Sultane und beleuchtet Sinans Bausprache fachkundig. Von diesem Höhepunkt architekto- nischen Ausdrucks geht der nächste Band in die Zeit des Altertums zurück zu den sprechenden Ruinen von Ephesus in Griechenland. Die darauf folgende, reizvolle Spirituelle Reise (Spiritual Journey) nimmt sich in Buchform der Sammlung fern- östlicher Kunst des Pariser Musée Guimet an. Dieser Band über asiatische Kunst setzt einen sinnvollen Kontrapunkt zur Liste der kulturellen Leistungen Europas. Zuletzt hat Ahmet Ertug seinem Portfolio historische Bibliotheken durch das Projekt Tempel des Wissens (Temples of Wisdom) und große Opernhäuser, Arbeitstitel Tempel der Musik (Temples of Music), hinzugefügt und damit den Ausblick entscheidend und folgerichtig erweitert. Diese beiden letzten Projekte stellen den Höhepunkt seiner fotografischen Meisterschaft und des Einblicks in die anhand der beindruckenden baulichen Substanz behandelten kulturellen Phänomene dar.
Architektur, gesehen mit Ahmet Ertugs Augen
Ahmet Ertugs Fotografien haben längst den Weg in die Sammlungen der Museen gefunden und – zur großen Ehre ihres Schöpfers – in die obere, nördliche Galerie der Hagia Sophia selbst, als umfangreiche, permanente Ausstellung. So sind die Bilder an ihren Ursprungsort zurückgekehrt und leben auf in der Aura ihrer Inspirationsquelle – ein fesselndes Nebeneinander, das wohl auch Walter Benjamin fasziniert hätte: “Und indem sie (die Reproduktionstechnik) der Reproduktion erlaubt, dem Aufnehmenden in seiner jeweiligen Situation entgegenzukommen, aktualisiert sie das Reproduzierte.” Diesem Zitat von Benjamin folgend, erreichen die Bücher und überformatigen Vergrößerungen von Ahmet Ertug ein breites Publikum und setzen dabei das Original einer gewissen Gefahr aus: Sie bringen dem Betrachter eine äußerst umfassende künstlerische Vision extrem nah. Besonders die Bücher locken die Gedanken in Bereiche reiner Schönheit. Ertugs Darstellungen architektonischen Raumes nehmen Besitz von den Sinnen des Betrachters und bieten ihm eine Reise durch die Kulturgeschichte hin zu Teilen der Aura, die ihre prächtigsten Ausprägungen umhüllt.
“Der fundamentale Schock, den die Fotografie ausgelöst hat, könnte möglicherweise der sein, daß sie eine Abbildung zur Verfügung gestellt hat, die eher so erfahren wurde, wie man die sichtbare Welt erfährt und wie man es nie zuvor gekonnt hatte. Eine Fotografie zeigt daher ihren Gegenstand mit den Mitteln, mit denen man zeigt, was Erfahrung ist”, sagt Jeff Wall in einem Aufsatz (in “Die Rache der Veronika”, aktuelle Perspektiven der zeitgenössischen Fotografie, Elisabeth Janus (Hg.), Zürich 1998). Kurz gesagt: warum an ferne Orte reisen, wenn man sie in den Büchern und den überwältigenden Vergrößerungen von Ahmet Ertug erfahren kann? In der Hagia Sophia bekommt man sogar die Reproduktionen und ihren Ursprung gemeinsam zu sehen. Die Bildbände zeichnen zusätzlich Dokumente aus, die im Original so gut wie unmöglich einzusehen sind.
Ein zeitgenössischer Klassiker
In den letzten drei Jahrzehnten haben sich fotografische Arbeiten als dauerhaft erwiesen, wenn deren Autoren es vermeiden konnten, Subjektivität durch persönlichen Stil zu ersetzen. Beispiele sind unter den Vertretern der “Becher-Schule” zu finden. Ein Gesamtwerk, das aus bescheidener Haltung und einem umfassenden Wissen heraus entstanden ist, wird wohl am besten erinnert werden.
Ahmet Ertug kann als ein unabhängiger Anhänger dieser Form des Dokumentierens von Architektur und verwandten Künsten gelten, er hat über mehrere Jahrzehnte ein entsprechend umfassendes fotografisches Werk geschaffen. Die Belohnung für diese gewaltige Leistung ist ein Gefühl von Ganzheit und Vollständigkeit, das sich auf den Betrachter überträgt. Eine weitere übergeordnete Eigenschaft von Ahmet Ertugs Bildern ist die Gewissheit, die sie ausstrahlen. “Ich versetze mich immer in die Situation des Architekten,” sagt er selbst, ” ich weiß sogar instinktiv, wo ich meine Kamera aufstellen soll – es ist der Ort, wo der Architekt stand, als er seine Arbeit beurteilte.” Das Warten auf das richtige Licht am richtigen Ort, das Ausloten der Aura seines Motivs ist Ertugs geheimes Rezept zur Perfektion. Eine Perfektion die in keinem Fall steril wirkt, eher aus der Einfühlung geboren wurde – besonders greifbar in den Fotografien der Meisterwerke Sinans und in den zuletzt entstan- denen von den Bibliotheken und Opernhäusern Europas.
Ahmet Ertugs Gesamtwerk zeigt Ähnlichkeiten mit anderen herausragenden zeit- genössischen Künstlern. Er teilt die Gewissheit, den richtigen Standpunkt für seine Aufnahmen zu finden, mit Candida Höfer. In grundsätzlich verschiedenen Herangehensweisen arbeiten beide klassische Zitate in architektonischen Räumen heraus. Mit Thomas Struht gemeinsam hat Ahmet Ertug einige Aspekte seiner fotohistorischen Basis und seiner Technik, obwohl sich auch hier die kulturellen Hintergründe und künstlerischen Strategien grundlegend unterscheiden. Beide erzeugen eine der Malerei ähnliche Präsenz mit ihren überformatigen Vergrößerungen und stehen im Erbe der objektiven Haltung von Pionieren der Fotografie wie Eugène Atget. In Struhts Bildern von stark bevölkerten historischen Kirchen und Museen treten die Personen visuell nach vorn und werfen somit Fragen kollektiven Verhaltens auf. Ganz im Gegensatz zu Ertugs Aufnahmen, in denen die vereinzelten menschlichen Figuren in den architektonischen Formen aufgehen und vom ätherischen Licht umhüllt werden. Aber wenn bei Ertug Figuren in der Komposition wichtig sind, dann werden sie bewusst ins Zentrum gerückt. Als bestes Beispiel kann man eine Gruppe von osmanischen Prinzen auf einer der ersten Seiten von Ertugs Buch über die Architektur Sinans antreffen. Ihre Grabsteine vor einem Seitenflügel der Sehzade Moschee sind mit traditionellen türkischen Kopfbe- deckungen verziert. Aus Stein gehauen, werden sie zu abstrakten Figuren verschiedener Höhe und Größe, unterschieden durch ihre Wichtigkeit oder Nähe zum Herrscher. Diesen turbantragenden Grabsteinen wird durch einen Strahl Abendlicht vibrierendes Leben eingehaucht, ihre starken Silhouetten heben sich vom Hell-Dunkel der elegant angeordneten Kuppeln und wettergegerbten Steinwände ab – dies ist meisterliches Erzählen mit rein fotografischen Mitteln.
Ein europäische Reise – durch Bibliotheken und Opernhäuser
Ahmet Ertug hat seine Fähigkeiten zuletzt auf Themen verwandt, die logische Fort- setzungen seiner vorangegangenen kreativen Reisen sind. Er hat seinen Blick auf über zwanzig bedeutende Bibliotheken von Prag bis Salamanca und die Opernhäuser von Paris bis Neapel gerichtet. In diesen Arbeiten kommt wieder der Archi- tekt in Ertug zum Vorschein. Die entstandenen Fotografien erhellen das bauliche Konzept von perfekt erhaltenen Räumen, die die renommiertesten Sammlungen des Wissens der Menschheit und die Spielstätten großer künstlerischer Talente beherbergen. Die Eleganz von Paris ist greifbar in den Fotografien, die Ertug von der Opéra Garnier angefertigt hat. Eine monumentale Ansicht der zentralen Freitreppe ruft die Phantasie eines Romanciers des Fin de Siècle auf, der, hinter einer der Säulen auf der Galerie verborgen, die oberen Klassen beobachtet, wie sie ihren Logen entgegen schreiten. Das Echo fröhlicher Stimmen und rauschender Kleider trägt zur gespannten Erwartung der Aufführung bei. Der Romancier begibt sich dann durch eine weit geöffnete Tür, die mit “Amphithéâtre” bezeichnet ist, in den Saal. Während er sich im Innern umsieht, die Lichter langsam erlöschen und sich der Vorhang teilt, eilen seine Gedanken in die Welt des klassischen griechischen Theaters, ihm erscheinen Bilder von italienischen Pastoralen und höfischen französischen Maskenspielen – all die Einflüsse erscheinen ihm, ohne die die hohe Kunst der Oper nicht sein könnte. Die Oper hat tiefe Wurzeln in der europäischen Kulturgeschichte. Ihre Werke erhalten den würdigen Rahmen durch die Opernhäuser – genau in dem Sinn, wie Ahmet Ertug sie abbildet.
Schichten der Kultur
Hier kommen Ahmet Ertugs Wurzeln ins Spiel. Er wuchs in Istanbul auf, geprägt von der Geschichtlichkeit dieser Kontinente überspannenden modernen Metropole, die auf den Fundamenten des oströmischen Reiches aufgebaut wurde. Die dynamischen Osmanen regierten von hier aus das Gebiet des östlichen Mittelmeeres bis 1923. Seither ist die Türkei ein moderner Staat, der auf historischen Schichten ruht, die in Teilen auch auf der hellenistischen Kultur gründen. Bei der Auswahl der Themen für seine fotografischen oder publizistischen Vorhaben setzt Ahmet Ertug diese tiefe Verwurzelung bewusst ein: “Durch Jahre des Studiums und der künstlerischen Praxis habe ich gelernt, dass die Grundlage der Kreativität das umfassende Wissen über die eigene Herkunft ist.” Die klassischen Grundzüge, die die moderne europäische Kultur prägen und sie mit ihrer mediterranen Vergangenheit verbinden, sind die gleichen, die Ertugs Werk durchziehen. So ist die osmanische Kunst eine Mischung griechischer und turkmenischer Traditionen. Die ersten osmanischen Moscheefassaden, aus der Zeit vor Sinan, gaben noch den Prunk und die Struktur der römischen Paläste wieder. In Italien in einen Innenraum gebracht, verwandelte sich dieses Bauprinzip in die Renaissancebühne des Teatro Olimpico in Vincenza. Dieses älteste überdachte Theater ist noch in Betrieb und nimmt in Ahmet Ertugs Buch und Ausstellungsprojekt zu den Opernhäusern Europas eine Schlüsselstellung ein. Andrea Palladio (1508-1580), Architekt des Teatro Olimpico, wurde oft mit Sinan verglichen, weil er mit ihm den manieristischen Ansatz bei der Findung architektonischer Formen teilte.
Die Geschichte der Kuppelbauten reicht zurück ins Altertum des Iran und der Türkei. Die Römer führten diese Bauform mit dem Pantheon in Rom zur Vollendung. Es wurde der Archetyp für etliche der Religion und Staatskunst gewidmeten Gebäude. Die Bauform ist auch grundlegend für die Hagia Sophia. Sinan verfeinerte sie in den mehr als einhundert Moscheen, die er schuf. Zur gleichen Zeit verwendete sie Michelangelo (1475-1564) bei der Gestaltung des Petersdoms in Rom. Zwei Genies, die sich nie begegneten – einer bestimmte die Architektur des osmanischen Reiches, der andere war der Inbegriff des Renaissancemenschen. Beide bauten Grabmale, der eine für die Medici in Florenz, der andere für die wichtigsten Sultane im Schatten der Hagia Sophia. In diesen Tagen brachen die Sultane auch das islamische Verbot der Abbildung menschlicher Figuren. Das Leben im Topkapi Palast wird in mehreren Bänden von Ahmet Ertug umfassend dokumentiert und prachtvoll präsentiert.
Ost und West kamen sich sehr nah in der Renaissance; der Austausch von Ideen und Anschauungen florierte. Die noch heute beindruckende, große Klarheit der italienischen Vedutenmalerei findet man auch in Ahmet Ertugs Fotografien von Bauwerken. Diese Qualität erhebt sein gesamtes Werk über das der meisten zeitgenössischen Fotografen, die versuchen den Geist historischer Architektur einzufangen.
Eine Vision der europäischen Kultur mit tiefen Wurzeln in der Geschichte
Ahmet Ertugs Fotografien und seine mehr als überzeugende Art der Präsentation sind ein sehr guter Ausgleich für jeden möglichen Verlust der Aura eines von ihm abgebildeten Originals. Die überlieferten Werte der klassischen Kultur, besonders der Architektur, und der Wiederklang von Schichtungen vergangener Zivilisationen scheinen durch die brilliante Oberfläche dieser Bilder. Die Fotografie ist und bleibt ein Medium für Künstler, deren feste Absicht es ist, die Welt und ihren Wandel durch die Zeiten zu erleben. Die Vermittlung der Tiefe dieser künstlerischen Erfahrung gelingt nur ihren vollkommensten Vertretern.
Aura ist das griechische Wort für Brise und beschreibt sehr passend die anregend frische Luft von Humanität und Schönheit, die man in den historischen geistlichen und kulturellen Bauwerken Europas und Asiens atmen kann – verbundene Traditionen, denen die Fotografie Ahmet Ertugs neues Leben einhaucht.
Production of a 5-minute documentary about Ahmet Ertug, who photographed the Berlin Reichstag with his team in 2011 for his book project DOMES. Published by POLKA gallery in Paris on Vimeo. My essay about Ahmet Ertug’s architectural photography in the original English version:
The Art of Ahmet Ertug – a Vision of European Culture
Today there are exceptionally few photographers who have the depth of knowledge of their subjects to make definite statements about them through their work. Some of them follow a calling from history or nature; while others dedicate themselves to exhaustively document their surroundings through a unique contemporary viewpoint. One thing is common to most serious approaches to photographic art that renders lasting impressions: roots, connecting to them or searching for them. Knowing this is one thing; accomplishing it quite another. Only a few photographers create convincing visual stories that seem predestined to become a part of history. One of these is the Istanbul based photographic artist and publisher Ahmet Ertug, who is deeply rooted in the cultural heritage of Europe and Asia. As editor in chief of Ertug & Kocabiyik he has published 25 books with his partner Ahmet Kocabiyik in limited editions. The publications are supported by travelling and stationary exhibitions of ultra large photographs.
Their thematic spectrum spans from the advent of European and Eurasian cultures to historical libraries and opera houses. Architecture is their primary theme, but the works also include landscape references as well as defining artefacts and sculptures. These oversized volumes are bound in the finest cloths, silks or leather and presented in a substantial slipcase or presentation box that radiate luxury. They are artworks in themselves comprising Ertug’s full format photographs and complemented by reproductions of rare documents along with enlightening texts by recognised international experts. The works engulf the mind of the viewer in historical topics with references connecting to contemporary culture. Ahmet Ertug’s work is available to all through his elaborate exhibitions and many through the range of opulent books by Ertug & Kocabiyik, a small autarkic empire in the glut of throw-away photo books today.
A question of control
Ansel Adams is another example of a visual artist that will be remembered. He was firmly grounded in the landscapes of the West he loved and photographed so extensively. Adams developed a meticulous technical approach to black and white photography to honestly capture the beauty he saw in nature. Another protagonist from the United States but from a different field was Julius Shulman, one of the most celebrated photographers of modern architecture. His subjects were the works of California architects Neutra, Wright, Koenig or Eames. He proudly presented them to the world and saw it as his mission to build a reputation for the elite of Western architecture. His photographic career was motivated by the wish to convey the genius of the architects he had worked with – there is no notable book about the subject today without at least one picture of Shulman’s.
A distinctive feature of these two outstanding photographers’ work and personality is their complete commitment to their subject’s aura – fresh and carefree as it was in the days of California’s exuberant new architectural forms or deep and rich as it is in the unaltered Western landscapes and historical places.
What they both lacked was the will to control the prints, reproductions and distribution of their work. Shulman sought wide popularity; while the work of Ansel Adams shares the posthumous fate of many other visual artists of his calibre. It is everywhere – calendars and cheap reprints shout it out, his signature is used to promote photo workshops. Who today remembers the centuries of landscape painting proceeding and underpinning Ansel Adams’ mastery? The aura of his original photographic artworks, in that long tradition, has evaporated in recent decades as the availability of his images proliferated.
Aura and Photography
“One might generalise by saying: the technique of reproduction detaches the reproduced object from the domain of tradition.” These words are from Walter Benjamin, who coined the philosophic term aura as it relates to art and media. The aura, attached to or radiated by an original artwork, is lost in its reduction to wide distribution, according to Benjamin. A perfect example of an intact aura is the subjective impact of a Byzantine icon on the observer that is viewing it in its spiritual context. The question arises: Is it possible for an artist using photography and print today – with its unlimited potential for reproduction – to maintain the aura of his artwork and reach a wider audience without diluting it? How can the aura be preserved, or at least not sold-out, while conveying artistic statements through photography?
We can turn to the East for an answer. In this case, East means Istanbul. Ahmet Ertug is based there, where Europe and Asia meet. Originally an architect on several highly acclaimed projects, the photographer Ahmet Ertug controls every intricacy of his publications. His sumptuous exhibitions are also solely under his control. The original pictures are only presented in these two outlets. The exposures are made with superior-quality large format cameras capturing the subtlest details of historical edifices and artefacts.
In addition to maintaining a tight rein on his art, he chooses enduring subjects – very likely none of them will wither away in the next centuries. His work will maintain their importance as a visual legacy as their subjects will continue to be available to coming generations.
A place in history
Ahmet Ertug’s works will not only stand the test of time in the bookcase of collectors, but also in libraries dedicated to art and history due to their twofold approach: They treat selected chapters of history, outstanding buildings or their creator’s complete oeuvre with academic rigour.
Ahmet Ertug’s book on the Hagia Sophia was the initial work in his series of historical-cultural explorations. The Hagia Sophia – “Holy Wisdom” in Greek – was a central landmark in medieval history. Its conversion from a Byzantine cathedral to an Ottoman mosque in 1453 marked the end of the Eastern Roman Empire. The subtitle of Ertug’s book, A Vision for Empires, alludes to its landmark character.
In his subsequent title, Sinan, An Architectural Genius, Ertug takes a detailed look at the builder of the signature mosques of Istanbul’s skyline and the majestic Selimiye mosque in Edirne which gave form to the limitless power of the Ottoman Empire. Here Ahmet Ertug’s experience as an architect expresses its relevance to his photography. He strongly identifies with the master-builder of the sultans and expertly elucidates Sinan’s architectural language. From this peak of architecture expression, Ertug’s next books venture back in time to The Sacred Art of Cappadocia and to the eloquent ruins of Ephesus. A delightful Spiritual Journey looks at the collection of far Eastern art in the Paris Musée Guimet. This book, focusing on Asia art, compliments Ertug’s impressive list of European cultural achievements. Recently, he broadened his perspective and included Europe’s historic libraries and opera houses in his portfolio of publications, achieving a peak in photographic technique and expressive insight of his subjects.
Architecture as defined by Ahmet Ertug’s photography
His prints have already found their way into permanent museum collections and – as homage to their creator – into the upper north gallery of the Hagia Sophia herself, as an extensive permanent exhibition. Thereby Ertug’s prints have returned to the place of their birth and flourish in the aura of their inspiration – a captivating juxtaposition of artistic auras that might have even intrigued Walter Benjamin.
“And in permitting the reproduction to meet the beholder in his own particular situation, it reactivates the object reproduced.” Obedient to Benjamin’s quote, Ahmet Ertug’s books and ultra large print exhibitions do reach a wide audience, but harbour a certain danger to the original. They place the beholder in an all-encompassing artistic vision of its own. In particular the books seduce the senses and lure the thoughts into a realm of aesthetic bliss. Ahmet Ertug’s compelling depictions of architectural space are guaranteed to absorb the mind of any beholder, offering him a voyage through history and an intimate connection to select parts of the aura of it subject, cocooning its most magnificent features and artefacts.
Jeff Wall, considered the most scholarly contemporary photographic artist, concluded: “The fundamental shock caused by photography could be related to its ability to provide an image that is received more like visible reality itself, which never was possible before. A photograph therefore shows its subject by means mostly used to show what constitutes firsthand experience.” (in “Die Rache der Veronika”, aktuelle Perspektiven der zeitgenössischen Fotografie, Elisabeth Janus (Hg.), Zürich 1998). Concisely put, why travel to far off places when one has these books at hand or stands in front of Ahmet Ertug’s overwhelming photographs in exhibition? In the Hagia Sophia you get Ertug’s reproductions and the original at the same time. The exhibitions are well worth the effort to see, but some of the historical documents unearthed by Ahmet Ertug and incorporated in his books are impossible to view otherwise.
A contemporary classic
Over the last three decades, photographs with an objective approach are strongest when they avoid replacing subjectivity with personal style. The results can be found among the greatest exponents of the “Germanic” aesthetic, derived from Ernst and Hilla Becher’s work and teachings. The body of work that consistently incorporates a humble mind and an encyclopaedic knowledge when dealing with a subject will be best remembered.
Ahmet Ertug can be called one of the independent stalwarts of this form of “documentarism” of architecture and related arts, having put together a body of photographic work with an encyclopaedic character on the subject over several decades. The reward for this daunting task is the feeling of completeness, which he conveys to the beholder of his projects in books and on the walls of the galleries or museums that exhibit them.
Another overriding characteristic of his pictures is the certainty they radiate: “I always try to put myself in the position of the architect,” he says, “I even know where to put my camera instinctively – it is the spot where the architect stood, evaluating his work.” Waiting for the perfect light in the right place, plumbing the aura of his subject in full measure is Ertug’s secret for perfection. A form of perfection that is far from sterile, it is rather born from empathy, particularly palpable in the photographs of the masterworks of Sinan.
Ahmet Ertug’s body of work bares similarities to the works of other outstanding contemporary visual artists. Ertug shares the intuitive certainty of determining the perfect vantage point for his exposures with Candida Höfer. From a fundamentally different approach, they both reveal classical citations in architectural spaces, as in Ertug’s project of important libraries.
With Thomas Struth, Ertug shares a certain overlap of his photographic heritage and technique, although their cultural backgrounds and artistic strategies differ substantially. Both evoke a painting-like presence with their ultra large prints, in the lineage of the objectivity and demeanour of pioneers like Eugène Atget.
In Struth’s pictures of crowded historical churches or museums, the subjects visually push to the front, evoking questions of collective behaviour. Whereas in Ertug’s exposures, the few human figures are engulfed in expanses of architecture or bathed in ethereal light as in his interiors of the great Ottoman mosques.
But when human figures are central to the composition of his pictures they are stars. As a prime example, one can meet a group of Ottoman princes on one of the first pages of Ertug’s book (p. 16) on Sinan’s architecture. Their tombstones fronting a side wing of the Sehzade mosque are adorned with traditional Turkish head wear hewn in stone, turning them into abstract figures of different heights and sizes, ranked by their importance or closeness to the emperor. These turban-wearing gravestones are brought to vibrant life by a streak of evening light delineating their strong silhouettes against the chiaroscuro of elegant towering domes and weathered stone walls – this is masterly storytelling purely employing photographic means.
Travelling Europe–libraries and opera houses
Ahmet Ertug more recently applied his skills to subjects that are a logical continuation of his creative journey. He focussed on over twenty significant European libraries from Prague to Salamanca and splendid opera houses from Paris to Naples. Again the architect in Ertug came out. The resulting photographs elucidate their builders’ concepts, in many cases resulting in symmetrical views of perfectly preserved spaces created to house historic and renowned collections of human knowledge and artistic skill.
The elegance of Paris is palpable in the photographs Ertug took in the Opéra Garnier. Looking at a detailed view of the grand staircase evokes the sense of a fin-de siècle romancier, peering from behind a column in the gallery as the upper classes walk below to their loges. Echoing sounds of cheerful voices and rustling dresses add to the anticipation of the event. The romancier strolls out the photographer’s lens through a wide open door carrying the title amphitheatre. Looking around the theatre interior, his thoughts race to realms of classical Greek theatre, views of Italian pastorals and French courtly masquerades evolving into opera as the lights dim and the curtains part.
Opera has deep roots in European culture. Its oeuvres are embellished when framed by the most enthralling buildings of Europe as Ertug depicts them.
Layers of culture
In this point Ahmet Ertug’s roots come to the fore. He grew up in Istanbul, absorbing the historicity of that transcontinental modern metropolis built on the foundations of the Eastern Roman Empire and reshaped by the vibrant Ottomans who ruled the East Mediterranean from there until 1923. Since then Turkey has been a modern state built on those historical layers deeper rooted in the ancient Hellenistic civilisation. When selecting subjects for his photographic or publishing endeavours, Ahmet Ertug employs these roots: “After years of study and artistic practice I realised that the foundation of creativity is the profound knowledge of one’s heritage.”
The classical threads infusing modern European culture and connecting it to its Mediterranean past are the same that imbue Ertug’s work. A few examples: Ottoman art is in general a blend of Greek and Turkmen traditions. Their first mosques facades, predating Sinan, mirrored the pageantry and structure of late Roman palaces and theatres. Taking these indoors, they metamorph into the stage of the Renaissance Teatro Olimpico in Vicenza, Italy. This oldest roofed theatre is still in use and included in Ertug’s book about the opera houses of Europe. Andrea Palladio, its architect, was often compared to Sinan, sharing his manneristic approach to finding architectural forms.
The history of architectural domes reaches back to ancient Iran and Turkey, among others. The Romans perfected its construction with the Pantheon temple in Rome, becoming the archetype for so many spiritual and governmental buildings, including the Capitol in Washington DC. This form is also fundamental to the architecture of Hagia Sophia. Sinan refined it in more than 100 mosques he created. Simultaneously Michelangelo was employing it in his design of St. Peter’s Basilica in Rome. Two geniuses who never met – one defining the architecture of the Ottoman Empire, the other the Renaissance man himself. Both built tombs, one for the Medici in Florence; the other for the most important Ottoman sultans in Istanbul. East and West came close during the High Renaissance; there was an exchange of ideas and concepts. In those days the Sultans even breached the Islamic rule avoiding portraying human figures. The life at court in the Topkapi palace, designed by Sinan, is well documented and presented in several books of Ahmet Ertug.
Ertug’s photographs are strikingly analogous to paintings of the late medieval period, infused with tones of the budding Renaissance. There was a brief timeframe of remarkable clarity in art especially in portraiture framed by revealing interiors and veduta backgrounds. One can look deeply into the souls of the bourgeois or clerics depicted by Dürer, Holbein the Younger, Van Eyck or Bellini (who portrayed sultan Mehmet II) and Botticelli south of the Alps. These artists were absolutely intrigued by the possibilities of realism. Those portrayed seem so familiar to us today, as the artists resisted adding any interpretation of beauty or psychology to the paintings, as became vogue only a few years later. The same soulful clarity can be found in Ahmet Ertug’s portraits of buildings. This elevates his body of work above that of most contemporary photographers who attempt to capture the spirit of historical architecture today.
A vision of European culture well rooted in the past
Ahmet Ertug’s works and his more than convincing presentations are perfect compensation for any loss of aura as a result of technical procedures that might be perceived by any modern day Walter Benjamin. The inherited values of classical culture, especially architecture, and echoes of civilisations past shine through the surface of these modern photographs. Time is layered in these works opening deep insights into history.
Returning to the Hagia Sophia – in Istanbul and in Ahmet Ertug’s book and exhibition – Ertug’s achievement offers atonement for the damage shallow photographs do everyday to an artistic medium and its sincere champions. Photography is and will remain a medium for artists who are keenly intent on experiencing the objective world and how it changes through time. The ability to convey the depth of an artist’s experience is mastered only by its most accomplished exponents.
Aura is the Greek word for breeze – describing perfectly the inspiring fresh air of humanity and beauty found in historic spiritual and cultural buildings of Europe and Asia – conjoined traditions brought to new life through the art of Ahmet Ertug.